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Erstes Buch.
Allgemeiner Theil.

Erster Abschnitt.

Rechtsnormen.

Das bürgerliche Recht läßt sich im Allgemeinen als der Inbegriff derjenigen Normen bezeichnen, welche die den Personen als Privatpersonen zukommende rechtliche Stellung und die Verhältnisse, in welchen die Personen als Privatpersonen unter einander stehen, zu regeln bestimmt sind. Das österr. G. B. § 1 hat den nicht nachahmungswerthen Versuch gemacht, den Begriff des bürgerlichen Rechtes festzustellen; desgleichen das sächs. G. B. § 1. Mit einer abstrakten, lehrhaften Abgrenzung des bürgerlichen Rechtes gegenüber dem öffentlichen Rechte ist, abgesehen von sonstigen Bedenken, nichts gewonnen. Das Privatrecht und das öffentliche Recht haben zahlreiche, mannigfach geartete Berührungspunkte. Gewisse Verhältnisse sind gemischter Natur; andere weisen verschiedene Seiten auf, vermöge deren das Verhältniß theils dem einen, theils dem anderen Rechtstheile angehört. Das Grenzgebiet ist nur durch eine genaue Prüfung der einzelnen in Betracht kommenden Materien zu ermitteln. Bei Entwerfung des Einführungsgesetzes wird anläßlich der Feststellung des Herrschaftsbereiches des bürgerlichen Gesezbuches gegenüber den Landesrechten Gelegenheit sein, den sich ergebenden Fragen näher zu treten.

A. Die Reditsnormen im Allgemeinen.

ᎦᎦ 1, 2.

1. Entstehung der Rechtsnormen.

1. Gesetz. Die für das Zustandekommen eines privatrechtlichen Gesetzes maßgebenden Grundsäße gehören dem Staatsrechte an. In Ansehung der Reichsgeseße entscheidet das öffentliche Recht des Reiches - Verfassung Art. 2, 5, 17 —, in Ansehung der Landesgefeße das öffentliche Recht der Bundesstaaten bezw. des Reichslandes Elsaß-Lothringen. Das Gleiche gilt hinsichtlich der Verkündigung und des Eintrittes der Wirksamkeit eines privatrechtlichen

Motive 3. bürgl. Gesetzbuch. I.

1

I. Entstehung. 1. Gesey.

2. Staatsver

trag.

Gefeßes (Verfassung Art. 2, Gefeß über die Konsulargerichtsbarkeit vom 10. Juli 1879, R. G. Bl. S. 137 § 47). Der in den Art. 2 der Verfassung hineingetragene Zweifel, ob die für das Inkrafttreten der Geseße daselbst bestimmte Frist die Bedeutung einer sog. vacatio legis habe oder ob der Ablauf dieser Frist als der Vollendungs- und Endpunkt des Publikationsaktes sich darstelle, entbehrt der Begründung. Die Frist ist eine Vakationsfrist. Ebensowenig liegt eine Lücke des Reichsrechtes in Ansehung der Frage vor, wann die Verbindlichkeit der Reichsgefeße für im Auslande befindliche, dem deutschen Rechte unterstehende Personen oder Gegenstände eintritt. Der Lösung im bürgerlichen Gesetzbuche entzieht sich ingleichen die Frage, ob und inwieweit der Richter berechtigt und verpflichtet sei, die Verfassungsmäßigkeit verkündeter Geseße zu prüfen. Die Materie hat eine überwiegend staatsrechtliche und politische Bedeutung.

Der Ausdruck „Geset" ist in dem Vorstehenden im Sinne staatlicher Rechtssagung gebraucht. Der Ausdruck dient auch im Allgemeinen zur Bezeichnung einer jeden Rechtsnorm, ohne Rücksicht auf deren Entstehungsund Erkenntnißquelle. In diesem weiteren Sinne ist der Ausdruck zur Anerkennung und Verwendung gelangt in den Reichsprozeßzgeseßen; Einf. G. zur C. P. D. § 12, zur Konk. D. § 2, zur St. P. D. § 7; vergl. dazu die Verordnung, betr. die Begründung der Revision u. s. w., vom 28. September 1879 (R. G. BI. S. 299) § 13. Maßgebend ist vornehmlich das Bedürfniß gewesen, welches sich nach einem einheitlichen, umfassenden Ausdrucke für die vielfach in Bezug zu nehmenden, auf verschiedenen Rechtsquellen beruhenden Säße des materiellen Landesrechtes geltend gemacht hat. Ein gleiches Bedürfniß besteht für das zu dem bürgerlichen Geseßbuche zu erlassende Einführungsgeseß, insofern festzustellen sein wird, daß das geltende Recht in Ansehung gewisser Materien unberührt bleiben, in Ansehung anderer Materien außer Kraft treten soll. In dem bürgerlichen Gesetzbuche selbst machen sich ebenfalls nicht wenige Verweisungen auf das Landesrecht erforderlich. Mit Rücksicht hierauf ist für angemessen erachtet worden, den Ausdruck Gefeß in dem bürgerlichen Geseßbuche sowie in dem Einführungsgefeße gleichfalls in der allgemeinen Bedeutung von Rechtsnorm zu verwenden und dies durch eine in das Einführungsgeset aufzunehmende Vorschrift klarzustellen. Soweit Reichsrecht in Frage kommt, ergiebt sich aus der Beseitigung des Gewohnheitsrechtes in § 2 von selbst eine Einschränkung.

2. Staatsvertrag. Inwiefern privatrechtliche Bestimmungen eines Staatsvertrages Gefeßeskraft haben, ist in Ansehung des Reiches dem Art. 11 der Verfassung verb. mit dem Gesetze, betr. die Abänderung der Nr. 13 des Art. 4 der Verfassung, vom 20. Dezember 1873 (R. G. VI. S. 379) zu ent nehmen. Die verschiedenen Fragen, zu welchen der Art. 11 der Verfassung Anlaß gegeben hat, betreffen die Auslegung des Art. 11. Das bürgerliche Gesetzbuch hat zu denselben keine Stellung zu nehmen. Auch die Frage der Verkündigung der Staatsverträge hat auf sich zu beruhen.

Soweit den Bundesstaaten zur Zeit die Befugniß zusteht, unter einander oder mit fremden Staaten Verträge zu schließen, erledigt sich dieses Recht völkerrechtlicher Vertragschließung mit dem Inkrafttreten des bürgerlichen

Gesetzbuches in Ansehung der von dem legferen in den Bereich reichsrechtlicher Regelung gezogenen Gegenstände; es bleibt in Ansehung derjenigen Materien und Angelegenheiten, welche dem Landesrechte überlassen bezw. überwiesen werden, insoweit, als die Vorbehalte reichen, unberührt."

Die privatrechtlichen Vorschriften der von den einzelnen Bundesstaaten mit fremden Staaten bereits abgeschlossenen Staatsverträge bleiben in Kraft. Aufgabe des Einführungsgeseßes wird es sein, dies außer Zweifel zu stellen.

heitsrecht.

3. Gewohnheitsrecht. Gegenüber einer älteren Theorie, welche die 3. Gewohns Gesetzgebung als die alleinige Quelle der Rechtserzeugung betrachtete, dem thatsächlich geübten Rechte jede ihm um seiner selbst willen zukommende Bedeutung absprach und die verbindende Kraft des Gewohnheitsrechtes auf eine dieselbe bedingende stillschweigende Genehmigung des Gesezgebers zurückführte, hat die historische Schule der Auffassung Raum verschafft, daß das in der zeitlichen Entwickelung dem Geseßesrechte vorangehende Gewohnheitsrecht seinen Geltungsgrund gleich jenem in der leßten Quelle alles positiven Rechtes, der Vernunft der Völker habe und somit dem Gefeßesrechte ebenbürtig, wenn nicht überlegen sei. Die herrschende Ansicht sieht in dem Rechtswillen des Gesetzgebers und in der Rechtsüberzeugung (dem Rechtsbewußtsein) des Volkes rechtsbildende Faktoren gleichen Ranges und nimmt an, daß das Gesezesrecht durch Gewohnheitsrecht ebensowohl aufgehoben und geändert als ergänzt werden könne, gesteht aber dabei zu, daß das Geseß die Voraussetzungen, unter welchen ein Gewohnheitsrecht sich bilden könne, zu regeln und die Entstehung eines den geseßlichen Rechtssäßen widerstreitenden wirksamen Gewohnheitsrechtes durch Verbot zu hindern vermöge.

Recht.

In den Quellen des römischen Rechtes ist die verbindende Kraft des Geltendes Gewohnheitsrechtes wiederholt anerkannt; sein Verhältniß zum Geseze wird behandelt in dem Schlußsaße der 1. 32 D. de leg. 1. 3: quare rectissime etiam illud receptum est, ut leges non solum suffragio legislatoris, sed etiam tacito consensu omnium per desuetudinem abrogentur"; ferner in 1. 2 Cod. quae sit long. consuet. 8. 53: „consuetudinis ususque longaevi non vilis auctoritas est, verum non usque adeo sui valitura momento, ut aut rationem vincat aut legem". Aus dem kanonischen Rechte schlägt namentlich cap. 11. X de consuet. 1, 4 ein. Partikularrechtlich hat das Gewohnheitsrecht ebenfalls Anerkennung erfahren. Nach dem bayr. 2. R. I, 2 § 15 Nr. 1 beruht Gewohnheitsrecht „auf einem solchen Gebrauche, welcher nicht nur den Willen der Gemeinde, sondern auch die landesherrschaftliche Miteinstimmung muthmaßlich anzeigt"; des Weiteren ist in I, 2 § 15 Nr. 4 bestimmt: Und wie nun eine solche rechtmäßige Gewohnheit vim legis hat, so hebt sie das ältere geschriebene oder ungeschriebene Recht allerdings auf." Das württemb. Recht behandelt das Gewohnheitsrecht im Verhältniß zu den Landesgefeßen als eine subsidiäre Rechtsquelle; ein dem Inhalte der württemb. Landesgeseze widerstreitendes Gewohnheitsrecht kann sich nicht bilden; dagegen geht das Gewohnheitsrecht allen anderen Rechtsquellen, also namentlich dem rezipirten römischen und kanonischen Rechte vor, so daß, bestehenden Ansichten zufolge, durch dasselbe auch zwingende Vorschriften des gemeinen Rechtes geändert und aufgehoben werden können. In Braunschweig kann Gesetesrecht, soweit dasselbe nicht absoluter Natur ist, nach den landes

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